Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Zu den Ereignissen in Chemnitz

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Erklärung von Hans Bauer, Vorsitzender der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung e.V. (GRH), Vizepräsident des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden e.V. (OKV) sowie Beiratsmitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)

Wir erleben in diesen Wochen, dass tausende Menschen aus moralischer Empörung auf die Straße gehen. Menschen gingen in Chemnitz auf die Straße, um dem jungen Mann Daniel H. zu gedenken, der vermutlich durch Geflüchtete getötet wurde. Menschen gingen wiederum auf die Straße, um gegen Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu demonstrieren, der bei den Gedenkveranstaltungen zum Ausdruck kam – sei es durch Transparente und Parolen oder Übergriffe auf vermeintliche Migranten oder Geflüchtete.

Moralische Empörung als Antrieb für politisches Handeln ist legitim.

Moralische Empörung als einziger Antrieb zum politischen Handeln läuft allerdings Gefahr, für die Interessen der Herrschenden ausnutzbar zu sein. Der NATO-Überfall auf Jugoslawien und der damit einhergehende erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach 1945 hat für antifaschistische Kräfte in diesem Land gezeigt, dass die (westdeutschen) Eliten, die Monopole und ihre politischen Vollstrecker, bereit sind, unter Missbrauch der Losung „Nie wieder Auschwitz!“ mit dem antifaschistischen Nachkriegskonsens zu brechen, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Diese Erfahrung in der jüngsten Geschichte kann nicht ignoriert werden, wenn wir die Geschehnisse der letzten Wochen einordnen und verstehen wollen.

In diesem Sinne geht mit der berechtigten moralischen Empörung in Teilen Bevölkerung auch eine Demagogie und Heuchelei in der herrschenden Politik und den Medien einher, die versucht, die Empörung einzubinden für die Interessen der Herrschenden in diesem Land – leider mit Erfolg.

So ist es Heuchelei und Demagogie, wenn die AfD und andere reaktionäre Kräfte, Gewalt durch Geflüchtete missbrauchen, um Geflüchtete oder Migranten zur Ursache jeglicher sozialen und politischen Missstände hierzulande zu erklären.

Gleichzeitig ist es aber auch Heuchelei und Demagogie, Merkels Flüchtlings- und Migrationspolitik als humanitär zu verklären. Ziel und Zweck ihrer Regierungspolitik ist es, den 2015 zwischenzeitlich stark anwachsenden Zuzug von Geflüchteten, aber auch Migranten aus der EU, zu nutzen, …

  •  … um dem deutschen Kapital billige Arbeitskräfte zur optimalen Ausbeutung zur Verfügung zu stellen.
  •  … um Länder wie Syrien, die sich den Interessen der NATO-Staaten nicht unterwerfen, neben Krieg und Sanktionen durch die Abwerbung von Fachkräften zu schwächen.

Flucht und Migration sind kein Naturgesetz, sondern aktuell vor allem das Ergebnis einer Politik der imperialistischen Staaten, um andere Länder durch Sanktionen, Freihandelsabkommen und Kriege zu unterwerfen.

Diese neokolonialistische Politik treibt die Bundesregierung aktiv voran und reiht sich ein in die NATO-Front gegen Länder wie Russland und China, die das ökonomische, politische und militärische Potenzial haben, diesem Weltmachtstreben Grenzen zu setzen. Die Merkel-Regierung ist somit ein Fluchtverursacher, gegen die der Hauptstoß einer antifaschistischen Friedenspolitik gerichtet sein muss.

Ausweitung des Niedriglohns, Lohndumping, Wohnungsmangel vor allem in den Metropolen und weitere Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und breiten Bevölkerungsteilen sind durch die Profitinteressen der Konzerne in diesem Land verursacht. Sie sind eine Erfahrung der Werktätigen seit mehreren Jahrzehnten und drücken sich in einer unübersehbaren Verelendung breiter Bevölkerungsteile aus. Wer aber verschweigt, dass Geflüchtete und Migranten missbraucht werden, um den Klassenkampf der Reichen gegen die Armen in diesem Land zu verschärfen, erzeugt – gewollt oder nicht – ein politisches Vakuum,  in dem reaktionäre Kräfte ihre soziale und nationale Demagogie entfalten können. Die Folge dessen ist eine immer tiefergehende Spaltung der Werktätigen, während die Reichen bzw. ihre politischen Eliten ihre Kriege und ihre sozialen Raubzüge ungehindert fortführen können.

Der Tod von Menschen wie in Chemnitz, Köthen oder anderswo ist tragisch und Empörung ist berechtigt. Dabei ist es falsch, den Rassismus und Nationalismus zu ignorieren oder zu tolerieren, der bei den Kundgebungen und Demonstrationen zum Ausdruck kam. Genauso falsch ist es, alle Menschen, die in Chemnitz auf die Straße gegangen sind, als Faschisten abzustempeln. Eine solche Herangehensweise widerspricht nicht nur einem humanistisch-antifaschistischen Menschenbild, sondern läuft in eine Sackgasse politischer Handlungsunfähigkeit für antifaschistische Kräfte in diesem Land.

Demgegenüber halten wir es für dringend notwendig, folgende Schlüsse für den antifaschistischen Kampf aus den Geschehnissen der letzten Wochen zu ziehen:

  • Die Wut, die Menschen Chemnitz auf die Straße getragen haben, ist nicht auf Rassismus zu reduzieren. Die Grundlagen dieser Wut, ist ein kapitalistisches System, dass sie seit der Konterrevolution in der DDR in sozialer und politischer Hinsicht zu Menschen zweiter Klasse abgestempelt hat. Die Menschen auf dem Gebiet der DDR mussten dabei nicht nur einfach massive soziale Einbußen und Verarmung wie in anderen Gebieten Deutschlands hinnehmen – sie wurden darüber hinaus ihrer Heimat beraubt, die bis heute durch die (westdeutschen) Eliten verteufelt wird.

Antifaschistische Kräfte haben demnach mehr denn je die Aufgabe, gegen die soziale und politische Benachteiligung der Menschen im Osten zu kämpfen und das antifaschistische Erbe der Deutschen Demokratischen Republik zu verteidigen.

  • Wo antifaschistische und fortschrittliche Kräfte nicht bereit sind, Verursacher von Flucht, Migration, verschärfter Ausbeutung und Kriegen zu benennen – die Monopole in diesem Land und die imperialistischen Länder unter Führung der USA im Weltmaßstab – nutzen reaktionäre Kräfte diese Spielräume. So nutzt einerseits die AfD die Wut der Menschen aus, um gegen Geflüchtete zu hetzen. Gleichzeitig bekennt sich die AfD zu Aufrüstung und NATO – also dem Fluchtverursacher Nr. 1 auf der Welt.

Andererseits nutzen die Parteien der Großen Koalition bis zu den Grünen die Empörung der Menschen über Rassismus aus, indem sie einen politischen Popanz um die Entlassung des Verfassungsschutzchef aufführen, während der Verteidigungshaushalt zur Aufrüstung gegen Russland um 4 Milliarden Euro erhöht wird und SPD-Finanzminister Scholz von der versprochenen Besteuerung von Internetkonzernen wie Apple oder Google absieht.

  • Es ist Heuchelei, wenn die Eliten in der Politik im Dienste der Monopole sich moralisch und/oder politisch über die Menschen in Chemnitz und anderswo zu empören. Denn,
    • Wer sowohl beständig den Antifaschismus der Deutschen Demokratischen Republik als lediglich „verordnet“ denunziert, und damit die antifaschistische Einstellung ihrer Bürgerinnen und Bürger leugnet und verunglimpft, und…
    • Wer selbst mit massiver Unterstützung deutscher Geheimdienste Nazi-Terrorstrukturen wie den NSU aufgebaut hat, und…
    • Wer Kriege gegen andere Länder führt und deutsche Soldaten nach 1945 wieder an der russischen Grenze auflaufen lässt, …

… steht im antifaschistischen Kampf auf der anderen Seite der Barrikade.

Nur gegen diese Politik der Monopole und für die Interessen der Werktätigen können die antifaschistischen Kräfte in Deutschland ihrer Aufgabe und Verantwortung gerecht werden. Der Schwur von Buchenwald bleibt unsere Losung: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Erstveröffentlichung am 26.09.2018 auf www.scharf-links.de

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 20. Oktober 2018 um 12:41 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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2 Comments

  1. Schade, dass wir unsere DDR dem Kapitslismus einfach so aus abgeliefert haben.Wir wollten so ein Deutschland nicht, wo Aufrüstung Kriege Arbeitslosigkeit Ausbeutung Obdachlose Fremdenfeindlichkeit Umweltzerstörung USA Hörigkeit Russland als Feind Faschismusverharmlosung usw die Politik bestimmen. Wir wollten offene Grenzen und das Gute beider Staaten vereinen! ! Jetzt stehen die Nato Truppen an RUSSISCHER GRENZE und DEUTSCHE SOLDATEN !! Sind die Speerspitze beim Manöver. Russland hst seine Soldaten friedlich abgezogen und 1945 unter grossen Opfern vom Faschismus befreit. Das ist undankbar! ! Russland unser Feind???? und Trump mit Amerika unser Freund???War gerad in Moskau! ! Russen und Putin wollen Frieden mit uns und der Welt!!! Stoppt die Kriege in der Arabischen Welt!! Dann kein Terrorismus und Flüchtlinge in Deutschland! !

    Kommentar: Christa Ebeling – 21. Oktober 2018 @ 15:31

  2. Die DDR war die antifaschistische Konsequenz der deutschen Niederlage im 2. Weltkrieg, geschuldet dem Sieg der Roten Armee ùber die faschistische deutsche Wehrmacht. In der SBZ wurde entnazifiziert, wurden kapitalistische Monopole und feudaler Grossgrundbesitz verstaatlicht. Doch die deutschen Menschen in Ost und West gleichermassen hùllten sich in verleugnendes Schweigen gegenùber ihrer Schuld und Scham am faschistischen Verbrechen. Die DDR wurde trotz dieser deutschen psychischen Befindlichkeit eingerichtet, mit verordnetem Antifaschismus als Staatsràson. Es herrschte nicht die Zeit und es gab keine Mittel, um den Menschen zu helfen, ihr verstocktes Bewusstsein psychologisch aufzuarbeiten. Man hoffte darauf, dass die Menschen unter den neuen, antifaschistischen Bedingungen lernen wùrden, und man hoffte auf die neue junge Generation, die mit einem neuen antifaschistischen Schul- und Bildungssystem sozialisiert wùrde. Das immer wieder heute als Vorwurf vorgebrachte Argument, die DDR sei ein antifaschistisch verordneter Erziehungsstaat gewesen, sollten wir NICHT als Denunziation begreifen und empòrt von uns weisen, vielmehr als positive Tatsache bejahen: Immerhin, ein antifaschistischer Staat auf deutschem Boden! Wàhrend zur selben Zeit in der BRD die Nazis in den Amtern und Regierungen verblieben, Monopole und Grossgrundbesitz nicht enteignet wurden, die Bundeswehr mit alten faschistisch-preussischen Offizieren gegrùndet wurde und die Konzentration der kleinen- und grossen Nazis und Mitlàufern wegen deren Flucht vor Strafe aus dem sowietbesetzten Osten auf westdeutschem Terrain hòher war als unter Hitlerdeutschland. Ob -wie in dem Aufruf s.o. behauptet- eine durchgehend antifaschistische „Einstellung“ der DDR-Bùrger „geleugnet und verunglimpft“ werden kann, halte ich fùr irrelevant, dagegen kònnen wir eine Deutsche Demokratische Republik, die Antifaschismus auf ihre Fahnen geschrieben und von ihren Bùrgern eingefordert hatte, als zu wùrdigende historische Errungenschaft preisen und sich ihrer stolz bekennen. So wie dieser Zusammenhang jedoch in der Erklàrung s.o. ausgedrùckt wird, klingt er unpràzise und unehrlich.

    Kommentar: beate brockmann – 25. Oktober 2018 @ 17:57

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