Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Abrüsten statt Aufrüsten

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Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen,

am 11. Dezember 2020 wird der Bundestag voraussichtlich den Bundeshaushalt 2021 abstimmen.

Aus diesem Anlass wird am 5. Dezember auch in Berlin eine Kundgebung im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages „Abrüsten statt Aufrüsten“ durchgeführt. Sie wird organisiert von der Berliner Friko und „Abrüsten statt Aufrüsten“.

Die Kundgebung beginnt um 13:30 vor dem Bundeskanzleramt. Anschließend wird es eine Menschenkette um den Bundestag geben.

Ein Aufruf der Friko ist über diesen Link zu finden:

http://www.frikoberlin.de/

Indem wir den Aufruf weiterleiten, möchten wir einige Gedanken anfügen, die in den letzten Monaten häufig in unseren Freidenkerveranstaltungen, aber auch mit befreundeten Organisationen zur Sprache kamen.

Im Zuge der sogenannten Coronakrise, also der einschneidendsten wirtschaftlichen und politischen Krise des Kapitalismus seit 1929, erleben wir tiefgehende Veränderungen unserer Lebensverhältnisse. Sie betreffen unsere sozialen Beziehungen, unsere Existenzgrundlagen, den ganzen zur Plünderung freigegebenen Bereich der Daseinsvorsorge, unsere Zukunftsaussichten, unsere sozialen und politischen demokratischen Rechte, unsere Lebensweise auf allen Ebenen als ungeheure Offensive des Klassenkampfes von oben. Das stellt sich dar in Euro und Cent als Verelendung und Degradierung der Werktätigen im weitesten Sinne, die auch große Teile der Mittelschichten zu spüren bekommen.

Die Wucht der Krise betrifft Arbeiter, Angestellte, Schüler, Studierende, Rentner, Selbständige, mittlere, kleine Unternehmer und Geberbetreibende; und wir stehen erst am Anfang des Flächenbrandes.

In den ersten Monaten, seit in Deutschland „Corona“ als vermeintliche Ursache der wirtschaftlichen Zusammenbrüche und weiteren Liquidierung parlamentarischer Demokratie herhielt, hatte die Enteignung von Volksvermögen zur „Rettung“ der Banken und Konzerne die ungeheuren Summen bereits übertroffen, die im Zuge der Krise 2008ff. umverteilt wurden.

Ein Teil dieses Ausplünderungsprogramms ist die Aufrüstung durch die Bundesregierung. Keine Begründung ist zu fantastisch, die zur Fütterung des militärisch-industriellen Komplexes sowie der Superreichen und zur Feindbildpropaganda dient (inklusive der Räuberpistole „Nawalny“).

Der „Verteidigungs“haushalt 2021 soll nun um 1,16 Milliarden Euro auf insgesamt 46,8 Milliarden Euro erhöht werden. Bei krasser Verelendungspolitik wird alles finanziert, was die Drohgebärden gegen Russland und China verstärkt: z.B. neue NATO-Bomber der Bundeswehr für über 7 Milliarden Euro. Auch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Zugleich wurden noch „während Corona“ weitere Krankenhausschließungen vom Gesundheitsminister befürwortet – und jetzt, zum zweitenmal innerhalb Monaten, hebt das Jammern über mangelndes Personal und Ausstattung in Krankenhäusern wieder an.

Wir erinnern daran, dass die harmlos klingende Formel „2% vom BIP (Bruttoinlandsprodukt) für die NATO“ 20 % des Haushalts bedeuten würde, also mindestens jeder fünfte Cent des Haushalts dem militärischen Angriffsbündnis zufließen würde, wenn das Ziel durchgesetzt ist. Eine logische Voraussetzung für das Ziel „Abrüsten“ ist also der Austritt Deutschlands aus der NATO, wie wir Freidenker auch weiterhin betonen.

Wie begründet die Bundesregierung ihr irres Aufrüstungsprogramm inmitten Kurzarbeit, Insolvenzenwelle, Massenentlassungen? Mit einer „globalen Kriegsgefahr“, die insbesondere von Russland und China ausginge. Dabei wissen wir alle, dass sie selber, gemeinsam mit NATO und EU, an vorderster Front der Kriegstreiber in der Welt steht; mit zahlreichen Auslandseinsätzen, mit einer aggressiven Konfrontation gegen Russland und China, mit Unterstützung „bunter Revolutionen“ und Mißachtung des Völkerrechts. Von Russland und China geht keine Kriegsgefahr aus, ebensowenig von den Ländern, mit denen sie zunehmend unter den Angriffen der imperialistischen Seite kooperieren, was sich gerade in der „Coronakrise“ wieder zeigte. Darum meinen auch wir Freidenker: das Ziel des Abrüstens ist dann realistisch, wenn wir die Grundlagen dieser Kriegs- und Aufrüstungspolitik beseitigen. Und das heißt, gerade auch in der Frage des Abrüstens: Frieden und Kooperation mit Russland UND China. Kein Aufmarschgebiet gegen Russland. Raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland. Abzug aller US-Truppen und Atomwaffen aus Deutschland.

Und, natürlich: Abrüsten statt Aufrüsten. Wir begrüßen mit der Friedensbewegung, wenn sich Gewerkschaften diese Forderung in konsequenter Weise zu eigen machen.

Wir sehen aber auch Gründe, warum die Forderung „Umverteilung durch Abrüsten“ für sich genommen, auf Schwierigkeit stößt, der Friedensbewegung die gesellschaftlichen Mehrheiten zuzuführen, deren Interessen sie zum Ausdruck bringt. Ein Grund ist einfach, aber sehr schwer zu überwinden: Die Werktätigen kennen aus langer Erfahrung die undurchschaubaren Mechanismen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die Verschmelzung von Staat und wirtschaftlicher Macht. Sie wissen, dass auch die bestgemeinten Forderungen und Reformen nicht den Effekt haben, dass das Eingeforderte tatsächlich in ihre Taschen zurückfließen würde. Gerade die letzten Monate mit ihren zahllosen, in sich widersprüchlich durchgeführten „Maßnahmen“ haben das hundertmal bestätigt. Es war aber bereits „vor Corona“ tägliche Klassenerfahrung. Kurzum: Kaum jemand glaubt zur Zeit in der Bevölkerung daran, dass aus „Abrüsten“ tatsächlich auch „ohne weiteres“ die Umverteilung für Mehrheitsbedürfnisse, soziale Belange, Krisensicherung und Friedenspolitik erfolgen würde. Das ist ein ernsthaftes Mobilisierungsproblem. Dass es nicht geschieht, ist der Friedensbewegung nicht anzulasten. Der „Durchschnittsbürger“ kann sich durchaus ausrechnen, wieviele Kindergärten, Schulen für das Geld von Panzern, oder wieviel Krankenhausperonal und -ausstattung statt einer Drohne zu finanzieren wären. Aber er weiß, dass die Schule, der Kindergarten nicht gebaut wird, auch wenn das Geld verfügbar ist. Für Lohnabhängige mit und ohne Einkommen gilt die „schwarze Null“ und die „Schuldenbremse“. Für Banken, Rüstung und Konzerne gilt sie nicht. Diese Regierung (und in Berlin die „rot-rot-grüne“) beweist täglich, dass sie dergleichen nicht vorhat und nicht den unerlässlichen ersten Schritt dazu leisten wird: sämtliche Privatisierungen rückgängig zu machen. Ohne das wird aber auch eine Investition in Gesundheit in privaten Taschen verschwinden und die (wertewestlichen!) Inhaber von monopolistischen Patenten mästen – eben unter anderem auch beim Impfen.

Bei all diesen Schwierigkeiten ist die Forderung nach Abrüsten natürlich nicht abzutun, und Aktionen dafür sind zu unterstützen! Unterstützen wir auch, dass zugleich für den positiven Teil der Forderungen auf die Straße gegangen wird: Investitionen in Bildung, Gesundheit, Kultur, Soziales. Endlich umfassende Krisenprogramme für sämtliche Werktätigen, auch mittelständische Gewerbetreibende und Unternehmen. Rettung jedes Industriearbeitsplatzes, gegen jeden Arbeitsplatzabbau und Standortschließungen. Schluss mit der Wohnungsnot und Mietpreistreiberei! Also her mit dem kommunalen Wohnungsbau unter Mietpreisdeckelung! Das sind Forderungen, die früher kaum revolutionär waren. Unter dem heutigen Regime ist es jede einzelne nahezu.

Zu den Forderungen gegen die Krisenabwälzung auf die Bevölkerung gehört aber auch ein klares, unhintergehbares Nein! zu jeder CO2-Besteuerung der Volksschichten! Wir können nicht auf der einen Seite „Soziales statt Rüstung“ fordern und auf der anderen die asoziale CO2-Steuer zulassen! Kräfte, die das tun, machen das Anliegen noch weniger glaubwürdig in den Augen der Massen.

Natürlich gehört in diesen Gesamtzusammenhang der Kampf um die demokratischen Rechte. Wir leben in Deutschland bereits im autoritären Maßnahmenstaat. Wer irgendetwas von der Regierung verlangt, tut das unter Bedingungen, die die Grundlage für ein Durchregieren über Verordnungen und Ermächtigungen der Exekutive unter Ausschaltung des Parlaments festschreiben. Die Herrschenden können auf demokratischem Wege ihre Interessen nicht mehr durchsetzen und sie zeigen, dass sie es auch nicht mehr wollen. Das am 18. November angenommene „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung…“ – wir loben alle Abgeordneten und Fraktionen, die zumindest im Bundestag dagegen stimmten! – bemüht 25 mal das Wort „ermächtigen“, „Ermächtigung“. Damit sagen seine Autoren selber, was es ist, es braucht dazu keine investigative Recherche: Ein Ermächtigungsgesetz. Wir sagen bewusst „EIN Ermächtigngsgesetz“, nicht „DAS Ermächtigungsgesetz“ – nicht um die reale Faschismusgefahr herabzureden. Aber gerade in Deutschland, befeuert durch Medien und Bildungseinrichtungen, wird mangels Geschichtskenntnissen Antifaschismus eher geschwächt, entwertet als gestärkt, wenn zum Verständnis der jetzigen Entwicklungen immer nur die – letztlich unhistorische – Analogie „zu 1933“ herbeigezogen wird. Auch dieses „Ermächtigungsgesetz“ hat eine lange Vorgeschichte in der BRD. Vor allem ist das ganze Ausmaß der antidemokratischen Entmachtungen, die zu bekämpfen sind, erst zu begreifen, wenn auch die Ermächtigungen über die EU hinzugenommen werden – angefangen beim Lissabon-Vertrag. Wir meinen, diese Dinge sollten künftig auch in den Friedensfragen angesprochen werden, zusammen mit der ökonomischen Offensive, die die Militarisierung erst ermöglicht. In allen Fragen, die uns auf die Straße treiben geht es gegenwärtig um den Dreiklang: Abwälzung der Krisenlasten auf die Ausgebeuteten – Kriegsvorbereitung – Zerstörung der parlamentarischen Demokratie. Es ist der Dreiklang der Faschisierung durch die herrschenden Kreise und ihre Regierungen. Das ist die Adresse, bei der Faschismusvorwürfe richtig landen müssen, da diese Entwicklung von der Kriegstreiberei niemals zu trennen ist.

Mit freidenkerischen Grüßen

für den Landesvorstand der Berliner Freidenker

Klaus Linder

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 24. November 2020 um 20:21 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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