Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Stalinismus und Umgebung. 1- der „Philosophendampfer“

Dienstag, 20. Dezember 2016 von Webredaktion

Über den Stalinismus und ebenso über den Realsozialismus, zu dem der Stalinismus als ein wesentliches Moment gehörte, ist längst nicht alles gesagt. Im 100. Jahr der Oktoberrevolution und damit in Zeiten, die eine erneuerte sozialistische Perspektive brauchen, möchte ich kleine, konkrete Diskussionsbeiträge leisten. Ich bin nicht „vom Fach“, schreibe nicht als Historiker, sondern als interessierter Laie. Dabei bemühe ich mich Freidenker zu sein.

Der Begriff „Philosophendampfer“ bezieht sich auf die 1922/23 erfolgte Verhaftung und Ausweisung oder Verbannung von bis heute 272 namentlich ermittelten russischen Intellektuellen, unter ihnen viele „alte Philosophen“, deren Transport ins Exil per Schiff erfolgte. Die Aktionen fanden zwischen Juni 1922 und März 1923 statt, angeregt von Felix Dzierschinski, maßgeblich durchgeführt von Stalin, propagandistisch begleitet von Leo Trotzki, ideologisch-strategisch und politisch begründet von Lenin (u. a. in: „Über die Bedeutung des streitbaren Materialismus“, Werke Band 33, S 214). Wesentliche Aspekte des Vorgangs hat Wladislaw Hedeler in seiner Broschüre dargestellt „Säuberungen unter dem Banner des Marxismus“, Berlin 2014.

Ich halte es für notwendig, sich den historischen Moment zu vergegenwärtigen. Die Bolschewiki hatten in schier auswegloser Situation einen kühnen Befreiungsschlag geführt – den Übergang zur NÖP. Diesen Schritt konzipiert und durchgesetzt zu haben, ist eine der größten Leistungen Lenins (der im Jahr 1922 zwei Schlaganfälle erlitt). Lenin war sich grundsätzlich der Risiken des eingeschlagenen Weges bewusst. Und er wusste auch, dass die Bolschewiki nicht auf alle Kampffelder ausreichend vorbereitet sein konnten. Der Fortgang der Revolution musste unbedingt gesichert werden. Zur produktiven Auseinandersetzung mit den ideologischen Gegnern oder Feinden fehlten sowohl qualifizierte Kräfte, als auch die Zeit. Administrative und auch physische Gewalt stellten die unbefriedigende aber vorerst einzige Lösung dar.

Der „Philosophendampfer“ symbolisierte nicht eine prinzipielle Abkehr Lenins und der Bolschewiki von dem Prinzip des Überzeugens, der Freiheit der Wissenschaft und von der verstärkten Förderung der materialistisch-dialektischen im besonderen und jeder wissenschaftlichen Forschung und Bildung im allgemeinen. Das ist nachweisbar. Doch ebenso unstrittig sollte sein, dass ein objektives geschichtliches Ereignis geschaffen war – ein Präzedenzfall der Gewalt gegen Andersdenkende. Es gab die (zunächst abstrakte) Möglichkeit, den Fall aus seiner historischen Bedingtheit zu lösen und als Blaupause für Repression zu missbrauchen. Genau das hat Stalin zehn Jahre später in zehnfach brutalerer und schließlich in terroristischer Form getan.

Die weiteren Schicksale der Exilierten gestalteten sich unterschiedlich. Ein Teil von ihnen näherte sich wieder seinem geliebten Russland an, jetzt Sowjetunion. Manche von ihnen gerieten später in die Mühlen der Stalinschen Repression. Mancher, anscheinend nie geistig überwunden, kehrt heute wieder ins Rampenlicht zurück. Allen voran Iwan Alexandrowitsch Iljin (1883-1954), Denker der russischen Religiosität und des russischen monarchischen Patriotismus (ein Leseeindruck hier). In jüngerer Zeit hat sich Putin wiederholt auf Iljin berufen.

Papst Johannes XXIII. – ein Mittler aktiver Hoffnung für den Frieden

Dienstag, 29. November 2016 von Webredaktion

Aus den DKP-Nachrichten übernehmen wir einen Beitrag

von Gerhard Oberkofler

Im Glauben von Christen wie Jon Sobrino SJ (*1938) ist Jesus von Nazareth (+30 n. u.Z.) „der endgültige, verbindliche und eschatologische Mittler des Gottesreiches“, doch habe es vor ihm und nach ihm auch andere Mittler gegeben. Jesus habe, so Sobrino SJ, „der Gewalt die Utopie des Friedens als ein zu verwirklichenden Vorhaben und gleichzeitig als ein Mittel der Umsetzung entgegen“. Der Friede, der Einsatz für den Frieden und die innere Verbindung mit der Friedensutopie würden „zu den vorrangigen Forderungen Jesu“ gehören. Mit Sobrino SJ insistiert Jesus die Friedensutopie aus der Überzeugung, dass diese „auch wenn sie nie ganz realisierbar ist, gutes hervorbringt und die Menschen und ihre Verhältnisse humanisiert. Auf jeden Fall kann ohne utopische – und deshalb >gnadenvolle< – Gesten des Friedens die Spirale der Gewalt, die eine Geste des >Gesetzes< ist, nicht durchbrochen werden“. Sobrino SJ ist einer der letzten Vertreter der Theologie der Befreiung, die, wie Noam Chomsky (*1928) in seinem letzten Buch feststellt, mit Hilfe der US-amerikanischen Streitkräfte als besiegt gilt – nota bene auch bei den privilegierten Theologen Deutschlands und Österreich.

Zu den Mittlern aktiver Hoffnung im Sinne von Sobrino SJ gehören Óscar Romero (1917-1980) ebenso wie Fidel Castro (1926-2016) oder Papst Johannes XXIII. (1881-1963, Papst seit 1958). Johannes XXIII. stellte aktiv den Frieden als Aufgabe der Kirche in den Vordergrund. Er war ein Mittler aktiver Hoffnung der Menschheit, weshalb ihm Kommunisten den größten Respekt entgegen gebracht haben. Johannes XXIII. (d. i. Angelo Giuseppe Roncalli aus Sotto il Monte bei Bergamo) war bald 77 Jahre alt, als er, seit 1953 Kardinal und Patriarch von Venedig, am 28. Oktober 1958 zum Nachfolger von Pius XII. (1876-1958, Papst seit 1939) gewählt wurde. Seine Namenswahl war kein Rückgriff auf Johannes XXII. (1316-1334), der die urchristliche Begründung des franziszeischen Armutsideal verworfen hat, sondern sollte an den vom Neuen Testament überlieferten legendären Bußprediger Johannes den Täufer erinnern.

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„ Am Anfang war das Nichts !?“ – mit Update 26.10.2016 (20.10.2016)

Mittwoch, 26. Oktober 2016 von Webredaktion

Zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion

Anmerkungen von Axel Popp ( Potsdam)

zur Sendung „ WissensWerte“ im INFOradio des RBB vom 09.10.2016 

Thomas Prinzler moderiert schon eine Reihe von Jahren im INFOradio die interessante Sendereihe „ WissensWerte“, in der er Wissenschaftler und Forscher zu Themen verschiedenster Disziplinen befragt und vorstellt. So auch am 04.10.2016 im Bildungsforum Potsdam ( Sendetermin 09.10.2016 ) befragte er drei Gäste zum Verhältnis von ( Natur-) Wissenschaft und Religion.

Hier der Link zur Sendung ( 37 Min. Tonaufzeichnung ).

Für den Theologen Dr. Oliver Putz ist klar, es gibt einen Schöpfer – Gott, wenn auch transzendent, „ da sei etwas “, was sich offenbare in der Welt, so u.a. in dem anthropischen Prinzip ( der Feinabstimmung der Naturkonstanten ), die dazu führte, dass die Welt sich so ausbilden konnte, wie wir sie jetzt beobachten können. Es sei mehr, als nur reiner Zufall. Dabei dürfe man die Bibel als Offenbarung Gottes nicht wörtlich lesen bzw. nehmen.

Die beiden anderen Gäste, Prof. Wolfgang Lucht und Prof. Thomas Naumann, plädierten dafür, Wissenschaft und Religion deutlich voneinander zu trennen. „ Im Land des Wissens gäbe es nur Erkenntnis, aber kein Leid. Religion sei ein menschliches Phänomen“ und es ist ein „ Wunder “, dass wir Menschen die Welt erkennen könnten. Die Wissenschaft konzentriere sich darauf, „ was ist “, aber nicht darauf „ was sein soll. “ Am Anfang sei das Tohuwabohu, das Chaos, aber auch das ( Natur-) Gesetz, das Logos. „ Eine Dialektik von Chaos und Logos “. Menschen bräuchten moralische Grundlagen, Werte und Orientierung. Und trotz der europäischen Aufklärung könne man in unserer abendländischen Kultur diese moralischen Grundlagen nicht von der Religion trennen. Als Kronzeuge dafür wurde Bertolt Brecht aufgerufen, der in seinen Werken immer wieder biblische Bilder / Vergleiche herangezogen hätte. Da waren sich die beiden Professoren nicht einig, Einer von ihnen betonte, man könne heute durchaus ein moralisch verantwortlicher Mensch sein, ohne sich dabei auf eine Religion zu berufen.

Schwierig gestalte sich die Frage nach dem „ Anfang “ der Welt. Physikalisch sei das Milliarden Jahre v o r dem Menschen schon abgelaufen. Der Theologe meinte, da wäre nicht nur die Materie, die Physik in die Welt gekommen, sondern auch für uns Menschen eine Verheißung, eine Hoffnung. Die Urknall – Hypothese könne den physikalischen Ablauf erklären bis auf die ultrakurze Zeitspanne von 10 – 43 Sekunden nach dem Big Bang. Es sei somit eine semantisch sinnlose Frage, was denn vor dem Urknall gewesen wäre, weil auch erst mit dem Urknall die Zeit entstanden wäre.

Problematisch erwies sich die Frage nach „ Grenzen “ der menschlichen Erkenntnis. Nach Galilei könnten sich zwei Wahrheiten, die Wahrheit der Bibel und die Wahrheit der Natur, nicht widersprechen. Es gäbe zwar viele Welten, Multiversen, aber unser Gehirn sei nicht „ gemacht “ um diese Grenzen aufzufinden.

Ich möchte hier nicht alle Fragen zu dieser Sendung referieren, außerdem habe ich nur für mich bemerkenswerte Teile aufgegriffen. In einer Mail an den Moderator Thomas Prinzler stellte ich nur zwei Fragen :

1. die Grenzen unser menschlichen Erkenntnis / unseres Wissens

Für mich stellt sich diese Frage so nicht ! Der menschliche
Erkenntnisprozess ist UNENDLICH, unbegrenzt ( solange es denkfähige
Menschen geben wird ) !! Sicher gibt es immer einen aktuellen Stand
unserer Erkenntnis ( quasi die vorderste Forschungsfront ), aber diese
aktuelle “ Grenze “ wird irgendwo auf der Welt in jedem Augenblick
irgendwie überschritten ( und wenn es zunächst nur als Idee /
Hypothese ist ). Es gibt kein Ende, keinen absoluten Abschluss in der
Erkenntnis. Ich kann auch keinen Sinn in der Frage nach einer “ Grenze
“ für unser Wissen erkennen. Es sei denn, man erteilt Denkverbote,
dass man hier, warum auch immer, nicht weiter denken dürfe.

2. zur “ Urknall – Hypothese „

Wie schon der Name “ Hypothese “ besagt, ist es eine intelligente
Vermutung / Annahme ( sicher, die heute von vielen Physikern vertreten
wird ), aber mit dem “ Schönheitsfehler “ der nicht erklärten
Singularität ganz am Anfang. Daneben vertreten einige Physiker andere
Erklärungen ( z.B. “ Quanten – Schleifen – Gravitation “ ) Diese
Deutung erscheint mir viel plausibler. Danach gibt es KEINEN Anfang,
weil Materie immer da war und sein wird in einem ewigen Prozess steten
( Form – ) Wandels.
Danach kann / muss Materie nicht “ erschaffen “ werden. Damit
entfällt auch der letzte Gedanke einer “ Erschaffung “ der Welt.

Ich erlaube mir, hier noch etwas zu ergänzen, was über den engeren Rahmen der Natur – Wissenschaft hinausgeht, aber für mich eindeutig die Wirkung eines Denkverbots hat. Es geht um die grundsätzlichen Lehraussagen der „ Wirtschaftswissenschaft “ / der Volkswirtschaftslehre. Hier herrscht seit vielen Jahrzehnten ein neoliberales / neoklassisches Dogma über den Markt und die Marktmechanismen. Das ist verschiedentlich kritisiert worden ( u.a. auch von T. Piketty, man bastele oft kleine mathematische Modelle, hätte aber aus dem Blick verloren, dass die Ökonomie zu den Sozialwissenschaften gehöre ). 95 % der Ökonomie – Professoren „ predigten“ dieses Dogma und konditionierten so Millionen von Studenten weltweit einseitig falsch und immunisierten sie oft erfolgreich gegen jeden neuen Gedanken einer Alternative für eine neue solidarische, selbstbestimmte Wirtschaft. Nach meiner Auffassung verstößt diese „ Ökonomie “ auch gegen wissenschaftliche Methodenprinzipien der Wahrheitsprüfung an der praktischen Erfahrung.

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Update von Axel Popp 26.10.2016 (20.10. 2016);

Am 09.10. (11.10.) hatte ich hier Bezug genommen auf eine Sendung in INFOradio. “ Am Anfang war das Nichts ?“ mit Thomas Prinzler.
Heute ( 20.10.2016 ) lief in der Sendereihe Scobel in 3sat die Sendung “ Das Dunkel der Astrophysik “ mit 3 Astrophysikern, die sich genau auch mit dem Urknall und einem möglichen “ Beginn “ von Allem befasste.

Hier wurden genau die “ Theorie “ des Urknalls in Frage gestellt. Über die ersten 380.000 Jahre nach dem “ Urknall “ ( bei dem Alter unseres Universums von 13, 8 Mrd. Jahren ) kann heute überhaupt keine Aussage gemacht werden! Interessant das Interview mit der Kosmologin Lisa Randall. Es bestehen nur mehr oder weniger plausible Annahmen darüber. Es sei zu vermuten, dass mit der weiteren Aufklärung der “ dunklen Energie “ ( 72 % ) und der “ dunklen Materie ( 23 % ) auch diese frühen Prozesse besser zu verstehen sind.
Mich störte nur die Verwendung des Begriffs “ Theorien “ für verschiedene mathematische Konstrukte zu einer Deutung der Abläufe ( so nutzt Randall nur 5 Dimensionen gegenüber den 11 Dimensionen der String – Theorie )
Wie ich die Wissenschaftstheorie verstanden habe, liegt eine THEORIE dann vor, wenn ihre Aussagen weitgehend überprüft und an empirischen Daten belegt ist. ( Wahrheitsprüfung ) Während hier Modelle, Annahmen ja Spekulationen vorliegen, die bestenfalls eine Hypothese darstellen können.

Auf jeden Fall stehen diese Aussagen im Widerspruch zu den ziemlich absoluten Behauptungen der Sendung “ WissensWerte „.

Gruß. Axel

Wort zum Sonntag #29 – Hagen Rether

Sonntag, 09. Oktober 2016 von Webredaktion

Das Jubiläums-Wort zum Sonntag #25 …

Sonntag, 11. September 2016 von Webmaster

… geht thematisch an den Anfang dieser Reihe zurück, denn wieder geht es um Gott und die Welt. Der Form nach geht es aber über alles bisher Dagewesene hinaus, denn es ist eine ganze Geschichte. Unsere Leserin Mrs. Tapir hat sie uns zugesandt. Viel Vergnügen beim Lesen!

Die Versuchsreihe  

„Also, wenn ihr mich fragt: Ich bin der Meinung, dein Experiment hat sich nun auch erledigt.“

Gott Vater stützte genüsslich seinen Arm auf den Wolkentisch und sah seinen Sohn triumphierend an

„Nun warte doch mal!“, wandte der Sohn ein. „Es sah schon öfter so aus, als würden sie sich selbst erledigen. Und dann ging es doch weiter. Für mich ist da noch einiges drin. Und ihr müsst zugeben: So intelligent, wie die hier, war noch keine Spezies auf unserer Versuchsstation.“

„Und wohl auch keine so erbärmlich dumm!“, fiel der Vater ihm ins Wort. „Allein wenn man überlegt, was sie aus unserer Versuchsstation inzwischen gemacht haben!“

„Sie sägen wahrhaftig an dem Ast, auf dem sie sitzen“, krächzte der heilige Vogel. „Einfach dämlich!“

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