Landesverband Berlin im
Deutschen Freidenker-Verband e.V.

Ihr Dilemma: Sie sind friedensbewegt neoliberal

Bipolarität, die Blöcke, gibt es nicht mehr. Politik gibt es nicht mehr. Geschichte ist passé. Es heißt, Fukuyama habe all das letztgültig beschrieben. Klassenkampf wurde zur Anekdote Warren Buffets, Krieg zur Polizeiaktion, bestenfalls zum Militäreinsatz für Menschenrechte/Brunnenbau. Wo früher das Völkerrecht zählte, schlossen sich nun Willige in Schutzverantwortung zusammen.Reihenweise entdeckte man Wiedergänger Hitlers. Die waren natürlich aus humanitären Gründen zu eliminieren. Beifällig nickte die Friedensbewegung dazu, nicht ohne die Kollateralschäden zu beklagen und deren Minimierung anzuraten.

All die Jahre war die Friedensbewegung „da“. Der Wunsch der Menschen nach Frieden, ihre moralischen Postulate, ihre konstruktiven demokratischen Forderungen können nicht ausgerottet werden. Selbst die Artikulation und Organisation dieser Menschen in hunderten, vielleicht tausenden Grüppchen, kann die herrschende Macht nicht verhindern. Das hat sie gelernt und darauf aktiv reagiert. Aus beiden Quellen, dem „Drang von unten“ und der Gestaltungsfähigkeit der Macht entstand das, was als „traditionelle Friedensbewegung“ bekannt ist, die ausgebreitet-differenzierte machtkonforme, systemkonforme Friedensszene unserer neoliberalen Gegenwart.

Man mag es „Szene“ nennen, „Zivilgesllschaft Abt. Frieden“, „NRO X, Y, Z“, „Netz“, es bleibt ein amorphes Gebilde, einem Filz (ohne abwertenden Beiklang) nicht unähnlich. Es bleibt ein Angebot an eine Million Graswurzel-Aktivisten, in aufreibender Detailarbeit nach Herzenslust alles zu geben. Es bleibt der Aufmerksamkeitsraum für bewährte und bewährteste FriedensaktivistInnen. Und nicht zuletzt bleibt es eine Zone in der und in die unkontrolliert StrategInnen ihre Fäden ziehen. Das Gebilde ist undurchsichtig. Zivilgesellschaftliche Transparenzregeln in dieser oder in anderer Form werden fast ausnahmslos verworfen. Es fließt Geld, wie viel, von wem wohin erfährt die Öffentlichkeit nicht.

Der Neoliberalismus gedieh, zunächst etwas verdeckt in einem zwar weit greifenden aber kaum bedrohlichen, ökonomischen Szenario – GLOBALISIERUNG genannt. Doch die Neocons leisteten ganze Arbeit. Ab 9/11 wurde zurückgeschossen. Der Startschuss ins Zeitalter des „Krieges gegen den Terror“ war gefallen.

Hatte sich die Friedensbewegung zunächst am 12.9.2001 gegen Vorverurteilungen gewandt, auch wenn sie tendenziell das Narrativ der Bush-Regierung übernahm, war sie zehn Jahre später hemmungslos auf die Verschwörungstheorie der US-Regierung eingeschwenkt.

Dazwischen lagen KEINE Jahre des unversöhnlichen Kampfes, um die Wahrheit über 9/11 aufzudecken. Dazwischen lagen KEINE Jahre der Forderung, den surrealen Bündnisfall-Beschluss der NATO vom 4. 10. 2001 aufzuheben, von der Forderung des NATO-Austritts zu Schweigen. Und bis heute führt die traditionelle Friedensbewegung keinen prinzipiellen Kampf gegen den „war on terror“, der nichts anderes ist als die Tarnform eines imperialistischen Krieges. Vielmehr gehört sie dazu. Halb wurde sie hineingezogen, halb ist sie hineingesunken in die umschlingenden Arme des Neoliberalismus – jener Ausprägung unserer Gesellschaftlichkeit, die seit rund dreißig Jahren bestimmend ist. Neoliberalismus, der nie nur eine Wirtschaftstheorie war, sondern immer auch ein Kulturkonzept beinhaltete“ (Hauke Ritz) bedeutet in der Friedensbewegung stark vereinfacht zweierlei:

  • ALLES zu tun für die Durchsetzung der unipolaren Neuordnung der Welt im Interesse der herrschenden Kapitale aus USA/NATO/EU.
  • Konfliktminimierung dieses Prozesses durch die Aufnahme, „Betreuung“, Führung und letztlich Integration aller Kräfte jeder irgendwie gearteten Opposition.

Dabei hat es die neoliberal gefangene Friedensbewegung zur Meisterschaft im Spagat gebracht. Schier Unüberbrückbares wird überbrückt, verwirrend. Doch wenige Forderungen scheiden die Spreu vom Weizen:

Für den Austritt Deutschlands aus dem Kriegsbündnis NATO!

Für den Abzug aller NATO-Kräfte aus Deutschland!

Für gleichberechtigte Kooperation mit Russland und mit allen Mächten im Rahmen einer multipolaren Welt!

Wenn der Neoliberalismus gestoppt wird und es zumindest unsicher ist, ob er die neuen Herausforderungen bewältigen kann, muss das große Auswirkungen auf alle mit ihm Verbundenen haben, gleichgültig, ob diese einst mit fliegenden Fahnen oder in verschnarchtem Halbbewusstsein zu ihm fanden. Mitte August 2008 wurde dem Neoliberalismus erstmals ein Stoppsignal gesetzt, das aber von allen interessierten Seiten verdrängt wurde. Am 21. März 2014 wurde ein Stoppzeichen gesetzt, das niemand mehr verdrängen konnte. Es hat gravierende Konsequenzen, auch für die neoliberal gefangene deutsche Friedensbewegung.

Teil zwei folgt.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 18. Mai 2016 um 17:20 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Aufklärung, Friedensbewegung, NATO, Politik, Standpunkte abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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